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Wenn der Stadtpräsident die Türe öffnet

Vom unteren bis zum oberen Tor ist das Städtchen Willisau etwa so gross wie die Titanic. Mit den erlaubten 20km/h fahren wir zum oberen Stadttor, um kurz davor links abzubiegen. Beim Brunnen lassen wir das Auto stehen und gehen ein paar Schritte die Müligass hoch. Da leuchtet sie uns entgegen, mit gelb bemalter Fassade und in grossen Lettern angeschrieben: die Stadtmühle.

Wir stehen vor einem der ältesten Gebäude in Willisau. Vor 700 Jahren wurde hier Korn gemahlen. Das seinerzeit benützte Wasserrad ist noch immer eingebaut. Mit grossem Respekt wurde das historische Gebäude mehrere Male saniert und moderne Teile hinzugefügt. Es entstand eine architektonische Einheit, ein gleichberechtigtes Miteinander von Alt und Neu.

 

Seit drei Jahren treffen wir uns als Gruppe in der Stadtmühle. Mitinhaber und direkte Ansprechperson ist André Marti. Für den gelernten Architekten ist die Stadtmühle eines seiner wichtigsten privaten Engagements und eine Herzensangelegenheit. Anfangs Jahr wurde André zum Stadtpräsidenten gewählt. Er ist seither nicht nur Herr über die Stadtmühle, sondern auch über 7600 Einwohner der Gemeinde Willisau.

 

Bei der letzten Renovation entdeckte man in einem eisernen Stützrohr die Chronik des Stadtmüllers Jakob Beck-Hof von 1918. Das Dokument gibt Einblick in schwierige Zeiten: Missernten, politische Veränderungen und neue technische Möglichkeiten zwangen viele Betriebe, aufzugeben. Es war ein Auf und Ab im Müllereigewerbe, aber die Mühle überstand diese Umwälzungen. Erst im Jahr 1989 wurde der Betrieb eingestellt.

 

Während wir in den schön renovierten Räumen der Stadtmühle sitzen, denke ich an die Chronik. Werden wir ebenfalls Geschichte in diesen Mauern schreiben? Werden wir trotz Schwierigkeiten überleben? Wir konnten den Status quo halten, aber vom Ziel, eine selbständige Gemeinde zu sein und jeden Sonntag Gottesdienste anzubieten, sind wir weit entfernt.

 

Als Armin Mauerhofer vor 40 Jahren eine Aufbauarbeit in Willisau anfangen wollte, fragten Restaurantbesitzer: «Was wollt ihr machen? Bibelabende?» Niemand stellte einen Raum zur Verfügung. Türen blieben zu. Wenn wir heute vor der Stadtmühle stehen und feststellen, dass der Schlüssel in Emmen geblieben ist, genügt ein Anruf. Ist es nicht ein Wunder, dass der Stadtpräsident kommt und uns die Türe öffnet? Genauso beten wir, dass Gott die Herzen der Menschen im Luzerner Hinterland öffnet. Betest du mit?

 

 

Daniela Baumann
(möchte noch anfügen,
dass der Schlüssel für
die Stadtmühle schon
länger nicht mehr vergessen
ging.)